Divertikel sind Ausstülpungen von Hohlorganen. Am bekanntesten sind die Sigmadivertikel, die im unteren Dickdarm (Kolon) vorkommen. Divertikel im Bereich des Kolons werden als Pseu-dodivertikel bezeichnet. Durch eine kleine Schwachstelle tritt lediglich die Schleimhaut, d.h. die innere Schicht des Darmes aus. Echte Divertikel sind z.B. Duodenaldivertikel oder das so ge-nannte Meckel’sche Divertikel, bei denen sich die gesamte Darmwand ausstülpt.

Im Bereich der Speiseröhre (Ösophagus) sind Divertikel selten. Als Hauptvertreter kennt man vor allem das Zenker-Divertikel. Es handelt sich um ein Pseudodivertikel, das eigentlich nicht direkt zur Speiseröhre gehört, sondern zwischen Schlund und Speiseröhreneingang auftritt. Beim Zenker-Divertikel handelt es sich um ein Pulsionsdivertikel, es entsteht durch Druck von der Innenseite des Hohlorgans. Im Verlaufe der Speiseröhre können auch so genannte Traktionsdivertikel auftreten. Bedingt durch Tumoren oder Entzündungen können Divertikel von aussen herausgezogen werden (Traktion = Zug).

a) Schlund
b) Luftröhre
c) Speiseröhre
d) Zwerchfell

1. Zenker-Divertikel
2. Traktionsdivertikel
3. Epiphrenisches Divertikel

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Wie entsteht ein Ösophagusdivertikel

Wie bereits oben erwähnt gibt es zwei Typen von Divertikel:

  1. Pulsionsdivertikel: Die häufigste Form ist das Zenker-Divertikel. Genau genommen handelt es sich dabei nicht um ein Divertikel des Ösophagus, sondern eher des Schlundes (Hypopharynx). Als mögliche Ursache wird ein muskelschwaches Dreieck hinten am Übergang des Schlundes in die Speiseröhre angenommen. Bei der Entstehung des Divertikels spielt wahrscheinlich eine Funktionsstörung des oberen Speiseröhrensphinkters (Ösophagusmund) eine ausschlaggebende Rolle. Eine weitere Theorie besagt, dass ein Teil des oberen Speiseröhrensphinkters (Musculus constrictor pharyngis inferior) derart stark wird, dass die Nahrung eher in das Divertikel als in die Speiseröhre rutscht und die Speiseröhre durch das grösser werdende Divertikel zunehmend abgedrückt wird.
  2. Auch das epiphrenische Divertikel wird als Pulsionsdivertikel bezeichnet. Es handelt sich um eine Aussackung der Speiseröhrenschleimhaut vor dem unteren Ösophagussphinkter, meist aufgrund einer spastischen Motilitätsstörung, wie sie z.B. bei der Achalasie vorkommt.
  3. Traktionsdivertikel: Die Traktionsdivertikel entstehen aufgrund von Zug von aussen auf die Speiseröhre. Entsprechend handelt es sich auch um echte Divertikel, d.h. die ganze Ösophaguswand wird zipflig ausgezogen. Bei Traktionsdivertikeln nennt man als Ursache oft Störungen in der embryonalen Entwicklung, wobei Gewebebrücken zwischen Speiseröhre und Luftröhre übrig bleiben und einen entsprechenden Zug auf die Speiseröhrenwand ausüben können. Ein Narbenzug kann auch zu einem Traktionsdivertikel führen. Im Bereiche der Speiseröhre kommt dies meistens aufgrund von Entzündungen der Lymphknoten oder Tumoren im Raum zwischen beiden Lungenflügeln (Mediastinum) vor.

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Wie stellt man die Diagnose

Traktionsdivertikel verursachen häufig keine Beschwerden und werden meist als Zufallsbefund entdeckt. Entsprechend müssen sie meist auch nicht therapiert werden. Ein kleineres Zenker-Divertikel oder auch ein epiphrenisches Divertikel wird vom Patienten nicht bemerkt. Erst wenn die Pulsionsdivertikel grösser werden, kann es zu Beschwerden wie Schluckstörungen, Aufstossen (Regurgitation) von Speiseresten und Speiseröhrenschleimhaut-Entzündung (Ösophagitis) kommen.

Die Diagnose stellt man am besten mit einer Kontrastmittel-Passage. Im Röntgen kann die Ansammlung von Kontrastmittel im Divertikel gut dargestellt werden. Oft wird auch eine Endoskopie durchgeführt. Im Falle des Zenker-Divertikels spielt die Grösse des Divertikels eine wichtige Rolle. Je grösser das Divertikel wird, desto mehr Beschwerden treten auf. Ein grosses Divertikel kann auch die Speiseröhre einengen und entsprechend zu Passagestörungen führen.

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Welches sind die Therapiemöglichkeiten

Die meisten und vor allem die kleinen Divertikel bedürfen keiner Therapie. Bei leichten Beschwerden können Nahrungsumstellung, Hochlagern des Oberkörpers und die Einnahme von Medikamenten helfen, welche die Magensäureproduktion hemmen.

Bei grossen Pulsionsdivertikeln mit entsprechendem Beschwerdebild ist gelegentlich die operative Sanierung des Befundes angesagt. Zu Beginn der Zenker-Divertikel-Erkrankung stehen Beschwerden wie häufiges Räuspern, chronischer Hustenreiz oder Fremdkörpergefühl im Hals im Vordergrund. Beim grösseren Divertikel kann es zu zunehmenden Schluckstörungen (Dysphagie) mit schlechtem Mundgeruch – hervorgerufen durch verbleibende Speisereste im Divertikel – und lästige Regurgitation von Speiseresten kommen. In diesen Fällen wird den Patienten die operative Sanierung des Divertikels vorgeschlagen.

Das epiphrenische Divertikel verursacht oft weniger Probleme. Auch hier können aber Schluckstörungen auftreten, die schliesslich zur Operation führen.  

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Was passiert ohne Therapie

Die Pulsionsdivertikel haben mit den Jahren die Tendenz, grösser zu werden und auch entsprechend Beschwerden zu verursachen. Beim häufiger auftretenden Zenker-Divertikel können bei zunehmender Grösse die erwähnten Schluckstörungen und Regurgitationen auftreten. Bei schweren Fällen kann es sogar zum Einatmen von Speiseresten und Schleim in die Luftröhre (Aspiration) kommen, was zu einer Lungenentzündung (Pneumonie) führen kann.

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Welches sind die operativen Möglichkeiten

Offene Divertikulektomie

Durch einen Schnitt am Hals wird das Divertikel hinter dem linken Schilddrüsenlappen dargestellt und abgetrennt. Um einem Rezidiv (Wiederentstehung) eines Divertikels vorzubeugen, wird in den meisten Fällen die hypertrophe Muskulatur am Ösophaguseingang (Musculus constrictor pharyngis inferior) auf einer Länge von 1-2 cm eingekerbt.

Endoskopisch unterstützte transorale Divertikulostomie

Die moderne Methode zur Behandlung des Zenker-Divertikels ist die Spaltung der muskulären Brücke zwischen Speiseröhre und Divertikel mit einem elektrischen Messer. In der letzten Zeit hat sich die endoskopische Divertikulostomie unter Verwendung eines linearen Klammernahtgeräts (Linear-Stapler) durchgesetzt. Dabei wird das Divertikel selbst nicht entfernt, sondern man durchtrennt mit einem durch den Mund eingeführten Linear-Stapler die Brücke zwischen Speiseröhre und Divertikel. Dabei wird der erwähnte Muskel mit durchtrennt und die Entleerung des Divertikels in die Speisröhre erleichtert.  

Laparoskopische Divertikulektomie

Auch beim epiphrenischen Divertikel werden zuerst konservative Massnahmen versucht. Erst bei zunehmenden Beschwerden wird das Divertikel laparoskopisch entfernt. Zusätzlich wird hier die Muskulatur des distalen Ösophagus (unterer Ösophagussphinkter) eingekerbt, um einem Rezidiv des Divertikels vorzubeugen. Zum Schutz der gesetzten Wunde wird oft ein Teil des Magenfundus darüber genäht.